Montag, 22. Oktober 2012

Sieben (1995)


"Was sind wir doch für kranke, lächerliche Puppen, die auf einer winzig kleinen Bühne tanzen und was haben wir doch für einen Spaß beim Ficken und beim Tanzen. Völlig sorgenfrei, weil wir nicht ahnen, dass wir nichtig sind. Wir sind nicht, was wir sein sollten."

Detective-Lieutenant William Somerset (Morgan Freeman) ist ein Veteran der Mordkommission des NYPD, der jedoch hoffnungslos der Aufklärungsquote hinterher hinkt und in genau sieben Tagen in Pension gehen wird. In dieser seiner letzten Woche scheint ihm zu Anfang nichts anderes mehr zu bleiben, als seinen Nachfolger, den ehrgeizigen, nach New York versetzten Detective David Mills (Brad Pitt), mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut zu machen. Doch gleich zu Beginn ihrer Begegnung werden die beiden zu einem ungewöhnlichen Tatort zitiert. In einer der dreckigsten Gegenden der Stadt liegt ein schwer adipöser Mann in einem abbruchreifen Haus in seinen eigenen Exkrementen. Er ist an Händen und Füßen mit Draht gefesselt, liegt mit dem Kopf in einer Schüssel voll mit Campbell's Spaghetti und seiner eigenen Kotze, unter dem Tisch wurden seine sämtlichen Ausgüsse in einem Eimer gesammelt, beide gehen anfangs von einem Unfall aus. Sprich "der Fettsack hat sich zu Tode gefressen, bis er letztendlich buchstäblich platzte".
Aufgrund der sich von Beginn an entwickelnden Spannungen zwischen dem ungleichen Duo wird Mills spontan vom Captain auf einen anderen Fall angesetzt. Hierbei handelt es sich um den Mord an einem prominenten Anwalt, welcher sich nach ausgiebiger Folter selbst verstümmeln musste. Doch das Wort "Habgier" auf dem Teppich des Kanzleibüros lässt Mills in seinen Ermittlungen stocken und er zieht Somerset zurate, nichtsahnend, dass sich dadurch eine Kette von Ereignissen in die Ermittlungen der beiden ziehen wird, welche in den nächsten sieben Tagen weit über konventionelle Untersuchungen hinausgehen dürfte ...




Somerset packt daraufhin nach einer eher oberflächlichen Untersuchung beider des vermeintlichen Standard-Schauplatzes die Neugier. Und dank seines detektivischen Gespürs findet er letztendlich ein Indiz, das diesen Fall sich ebenfalls nicht nur als Mordfall entpuppen lässt, sondern auch zum ersten eigentlichen Akt einer Serie von Vorfällen der bizarrsten Art. Denn er findet das Wort "Maßlosigkeit" hinter dem Kühlschrank in der Behausung des Fettwanstes, geschrieben mit dessen eigenem Fett ...



Regisseur David Fincher, welcher davor und danach verschiedenste Streifen, darunter Fight Club, Alien³, The social network oder Panic Room verantwortete, beschert uns hier mit seinem zweiten Langspielfilm einen Meilenstein der Kinogeschichte. Hierbei bediente er sich einer Vielzahl von hervorragenden Akteuren, die sich in ihrer Leistung alle selbst zu übertreffen scheinen. Brad Pitt beispielsweise hatte bereits kurz vorher in 12 Monkeys damit begonnen, sein Talent dazu zu verwenden, andere Rollen als den gut aussehenden, tumben Sonnyboy zu mimen und sollte nach Sieben auch damit weiter machen, spätestens in Fight Club war es ihm bereits gelungen, sich nicht mehr auf derartige Charaktere reduzieren zu lassen. Das charismatische Urgestein mit der heiseren, tiefen und doch sympathischen Stimme Morgan Freeman stellte hier ein ums andere Mal seine vom Theater her gewohnte Gabe unter Beweis, als einer der besten Charakterdarsteller des Landes zu gelten. Doch beide werden sie, das muss man neidlos zugeben, gnadenlos von Kevin Spacey aka John Doe an die Wand gespielt. Besonders wenn man bedenkt, dass Doe den einzig wirklichen ehrlichen Charakter in diesem Film voller verblendeter, von Selbstmitleid zerfressener, komplexbeladener und verzweifelter Seelen verkörpert. Spacey hat zwar die kürzeste Auftrittsdauer der Drei, jedoch weiß er selbst in dieser kurzen Zeit so viel über seine Figur zu erzählen, unweigerlich denkt man bei der Redegewandtheit und dem wahnsinnigen Genie des John Doe immer mal wieder an den ebenfalls von ihm verkörperten Verbal Kint in Die üblichen Verdächtigen.



Der Streifen, welcher sich von Anfang bis zum bitteren Ende in dunkler, düsterer, verstörender und destruktiver Weise an ebensolchen Schauplätzen abspielt, weiß einen von Anfang an zu fesseln, glitzerndes Popcornkino sieht jedenfalls anders aus. Umrahmt wird das Ganze von der auch in 300 oder Der Soldat James Ryan verwendeten Bleichauslassungs-Technik, welche die Atmosphäre noch einmal verstärkt, besonders gut kommt diese zum Tragen bei den zahlreichen Regen-Szenen oder im Untergrund-SM-Bordell, wo eines der Opfer gefunden wird. Und all das findet statt in einer der Städte, New York, die schon für zahlreiche Künstler als Archetyp eines hedonistischen, dreckigen, undurchschaubaren und verdammt anonymen Molochs diente. Was natürlich mit den größten Teil der Faszination an Sieben ausmacht, wären zum einen die Flut an Metaphern, jedoch auch die Fixierung auf die Zahl 7 und die einzigartige, an die jeweilige Sünde angepasste Gestaltung der Hinrichtungsschauplätze, wobei jeder von ihnen ein Kunstwerk im Kunstwerk zu sein scheint. Man wird geradezu überwältigt von der Bildgewalt und den charakterlichen Tiefen. Da fällt es kaum mehr ins Gewicht, dass es sich bei den im Film als 7 Todsünden bezeichneten Eigenschaften eigentlich (jedenfalls nach Auffassung der nicht gerade seriösen Katholischen Kirche) um die 7 Hauptlaster handelt, welche überhaupt erst zu den auch in der Bibel erwähnten Sünden führen oder Mills' Frau (Gwyneth Paltrow) die Einzige in diesem nihilistischen Alptraum zu sein scheint, die ohne Sünde sein mag. Doch gerade das ist einer der wesentlichen Hauptaspekte dieses Werks, nämlich dem Einzelnen aufzuzeigen, dass niemand ohne Sünde ist, sofern man denn an diesen in der Gesellschaft inform der christlichen Glaubensrichtung fest verankerten Unfug glauben möchte.



Dies wird auch zum Ende hin deutlich, wenn sich nach 5 Opfern der Kreis mit den letzten beiden Sünden/Lastern schließt und den Zuschauer mit einem mulmigen, doch sehr gut unterhaltenen, von Faszination geschwängerten Gefühl entlässt. Man hat 3 verschiedene und doch sehr gleiche Figuren bei ihrem unheilvollen Tanz beobachtet und nicht zu Unrecht möchte man sich nach 121 Minuten fragen, ob nun die "richtigen" Personen das Zeitliche gesegnet haben oder der scheinbar geschlossene Kreis nicht doch nur ein Augenblinzler ist im Anbetracht der Vergänglichkeit und der Tristesse des Seins.



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